Von Schlanksein als Status-Symbol
Vorweg, die ein oder andere darf das Wort „schlank“ gerne mit dem Terminus „gesund“ austauschen. Auch wenn es natürlich zwei komplett voneinander getrennte Dinge sind, denken viele Menschen immer noch, dass Krankheit durch Körpergewicht verursacht wird. Das stimmt so faktisch nicht – aber das soll heute nicht mein Thema sein.
Ich möchte jetzt über Status reden.
Dem Status schlank zu sein.
Es gibt eine Menge Dinge, die sichern unser Ansehen dazu gehört Geld, gutes Aussehen, Bildung, Hautfarbe. In den letzten Jahren sind Worte wie weißes Privilege oder White Supremacy (Vormachtstellung) dazu gekommen.
Statussymbole sind Rangsymbole, sie sollen zeigen, wer man ist. Sie sollen dokumentieren welche Position wir in der Gesellschaft einnehmen und das wollen nicht nur die Eliten wie der Adel, sondern alle quer durch die Schichten. Sind die einen Stolz darauf, Sektkorken knallen zu lassen, sind andere erst zufrieden, wenn sie die neuste Hermes Tasche mit Champagner begießen. Die Idee ist immer die gleiche: wir wollen wer sein und unseren Wert von Außen anerkennen lassen.
Gerade bei Körpern und das Aussehen geht es heute nicht mehr nur um schön oder nicht schön (das liegt eh im Auge des Betrachters), es geht um Status „wer ist die Dünnste, wer hatte die aufwendigste Gesichtsbehandlung“? Selbst bei Schönheitsoperationen geht es nicht, darum jung auszusehen, sondern darum „reich“ auszusehen wissen Experten zu berichten.
Rangzeichen sind Machtzeichen:
Ich will gar nicht darüber sprechen ob das gut oder schlecht ist. Ob man das darf, soll, nicht soll oder was auch immer. jeder darf und soll machen was er will. Ich finde es aber wichtig für sich zu gucken auf wie vielen Machtspielplätzen man wirklich dabei sein möchte. Machtsignale verursachen Angst und die Bereitschaft sich unterzuordnen. Normalerweise denken wir wenig über Statusverhalten nach. Wir haben vielleicht Mitgefühl mit Menschen die unserem Status nicht entsprechen und empfinden Neid, bei denen deren Status wir nicht erreicht haben. Wir denken aber das ist eben so und akzeptieren es. Unser Statusverhalten entspringt aber den Minderwertigkeitsgefühlen und dem Geltungsbedürfnis von Menschen. Das Streben nach Anerkennung und Bedeutung ist in uns stark ausgeprägt. Wir lernen in der guten alten Mittelklasse früh, dass es ohne Abitur heute schwierig ist.
Wer sich minderwertig fühlt, versucht mit unterschiedlichen Kompensationsmechanismen, Überlegenheit zu gewinnen und die Minderwertigkeitsgefühle zur Ruhe zu zwingen. Menschen ohne Minderwertigkeitsgefühle brauchen keine Statussymbole zur Aufwertung ihrer Geltung, sie nehmen sich so an, wie sie sind. Leider gibt es nicht viele Menschen die dies mitbekommen haben, denn die Selbstsicherheit, die manche kleine Kinder noch haben, wird schnell durch eine unterdrückende, autoritäre Erziehung gebremst. Wir werden meist schon früh in der Entfaltung unsere Persönlichkeit , in der Entfaltung unserer Sexualität und unserer Fähigkeiten gebremst. Die Mehrheit der Menschen ist deshalb so empfänglich für Statussymbole um wertvoller, ranghöher, und moralisch besser dazustehen.
Das blöde daran ist:
Jeder wird auf diese Weise des anderen Feind. Wir erleben uns als Konkurrenten und nicht als Partner in Crime oder Freundinnen. Es geht, darum die andere zu überflügeln, in dem, was uns möglich ist. Ob ich dir dünnere bin (wäre schon gut) oder die bessere Mutter, die bessere Köchin, Ehefrau, Geschäftsfrau, mehr Geld verdienen oder den reicheren Ehemann habe. Alles spielt in den Status-Topf mit hinein. Meist treffen sich Frauen auf einer vergleichbaren Hierarchiestufe.
Dieses Statusverhalten wird von den allermeisten Menschen akzeptiert, es ist anerkannt und für gut empfunden worden (meist ohne dass wir uns darüber Gedanken gemacht haben). Wer also in einem größeren Körper steckt, soll sich bitte weiter bemühen, das Übel zu beseitigen. Tun wir das nicht, werfen wir die Regeln der Status-Gesellschaft über Bord und rebellieren gegen ein anerkanntes System.
Ist der Status erreicht, also wir sind endlich in einer Größe XY, hören wir aber nicht auf mit unseren Bemühungen. Erstens müssen wir das abgenommene Gewicht erst einmal halten können und außerdem können wir „nicht dünn und nicht reich genug sein“- wie Kate Moss uns gelehrt hat. Aus dem Golf kann jetzt ein Porsche werden und aus dem Reihenhaus die Villa am Stadtrand.
Dieses System hat die meisten von uns fest im Griff – wir sind nie schlank genug, gebildet genug, schön genug, reich genug. Wir fühlen uns nicht wahrgenommen und gesehen. Wie auch wir laufen wie die Lemminge dem Goldenen Kalb hinterher.
Besonders dann, wenn wir viel Abwertung von anderen erfahren haben, diskriminiert wurden aufgrund unseres Körpers oder unserer fehlenden Leistungsbereitschaft zu leiden, beginnt das Geltungsbedürfnis mit seinen verschiedenen Kompensationsformen neurotisch zu werden.
Ich kenne viele sehr erfolgreiche Frauen, die diverse Sprachen sprechen, perfekte Gastgeberinnen sind, aufopfernde und liebevolle Mütter und immer noch gegen ihren Körper kämpfen – um ihren Wert als Frau, als Mensch zu bestimmen.
Dieser Kampf um das Überleben und die Überlegenheit ist in der Natur nicht ganz unlogisch gewesen. Oder in früheren Zeiten, wo die schönste Frau den reichsten Mann und somit den besten Versorgen ihrer Nachkommen erbeutet hat. Aber uns hat dieser Kampf die Solidarität untereinander gekostet: Die geschiedene Freundin, wird nicht mehr zur Party eingeladen. Sie hat so abgenommen und könnte mir jetzt den Mann wegschnappen. Der reichere geschiedene Mann sucht sich die jüngst und schönste aus und macht sie zu seiner Frau. Ein Klischee? Auf jeden Fall. Durch die gegeneinander gerichtete Haltung (oh meine Nachbarin hat abgenommen, jetzt muss ich auch wieder loslegen) geraten wir immer mehr in Konkurrenzkämpfe und somit auch immer weiter in die Isolation. Niemand vertraut mehr dem anderen. Spätestens, wenn die eigenen Mutter sagt „so dick wie du bist, bekommst du nie einen Mann“, wissen wir, wie der Hase läuft.
Aber was macht das mit uns?
Wir verlieren das sichere Gefühl von Gemeinschaft – zumindest das von wahrer Zugehörigkeit. Natürlich kann ich auch in meiner Weight Watcher Gruppen auf nette Gleichgesinnte treffen, aber wir ahben alle das Ziel endlich dem Status zu entsprechen, dem wir uns zugehörig fühlen. . Damit hat WW sich eine ewig treue Anhängerschaft gebastelt – die weiter denkt, in ihrem Kampf „die Dicken gegen die Dünnen“, verbunden zu sein.
Aber ist das nicht genau das Problem? Unser Statusdenken trennt uns von einander. Wir sind in Konkurrenz, wir feiern Siege. Über was eigentlich? Über die Überlegenheit in der Gruppe. Und das kann zur Hölle werden.
Der Mensch leidet Zunehmens unter psychischem Stress wie Versagensangst und Misstrauen. Unsere Minderwertigkeitsgefühle werden geschürt durch Werbung, Medienformate wie MOM (Missy oder MILF), durch GNTM und alle, die uns glauben machen wollen, dass wir anders sein und aussehen müssten, um den Zenit der Anerkennung durch andere erreichen zu können.
Aber mal ernsthaft, wie finden wir denn die perfekten Frauen? Die Sylvie Meis dieser Welt? Sie sieht perfekt aus, moderiert souverän TV Formate, ist erfolgreiche Geschäftsfrau und makellos schön.
Ich denke, sie wird vorsichtig sein in der Wahl ihrer Freundinnen. Der Kampf um Überlegenheit führt zu einer unnatürlichen Isolation. Sie macht uns einsam und unzufrieden und trennt uns von der Welt. Sie gibt uns das Gefühl nicht sicher und beschützt zu sein. Nicht bedingungslos geliebt zu sein – wie auch, wir selbst hängen unseren Selbstwert an einen Status. Isolation ist ein Übel das viele Krankheiten mit sich bringt, seelisch und körperlich. Wir fühlen uns getrennt – von uns, unserem Körper. Wir wissen nicht mehr, wer wir sind, was uns ausmacht (ohne die Leistungen.)
Und alles, was Staus ist, ist vergänglich. Mit zunehmendem Alter verliere ich als Frau an Wert. Ich werde unsichtbarer, finde in den Medien und der Werbung nur noch als Großmutter statt – aber nicht als attraktive Frau.
Ich entferne mich immer mehr von meinen körpereignen und emotionalen/ seelischen Bedürfnissen, denn wenn ich auf meinen Körper höre, kann es sein, dass ich zunehme. Ein Tag in der Sonne vertieft die Falten, ein Tag ohne Sport lässt das Gewebe und die Muskeln erschlaffen – also kämpfe ich gegen den Hunger, gegen das Verlangen, das Bedürfnis nach Ruhe und Regeneration, gegen die Wahrnehmung mich selbst zu spüren. Gegen den Wunsch der bedingungslosen Liebe – denn die würde sagen:
Lass endlich los, du bist gut, wie du bist. Du bist wertvoll, liebenswert und genug. Du bist schön, einfach weil du bist. Nimm dich endlich an und verbinde dich mit der Welt.
Die Verbindung zu dir selbst und anderen – besonders anderen Frauen – wird dich heil machen und dich erfüllen von Liebe.